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Zahnmedizin in Europa: Vom Zahnreißer bis zum Dental-Tourismus

Die ältesten Nachweise zahnheilkundlicher Behandlungen in Europa stammen aus der Jungsteinzeit. Bis zum heutigen Dental-Tourismus ins Ausland hat sich in der Zahnmedizin viel getan.

Wann hat sich die moderne Zahnmedizin in Europa entwickelt? Wer entwickelte die ersten modernen Instrumente? In welchem europäischen Land Europas gibt es die beste Zahngesundheit? Und wer geht öfter zum Zahnarzt: Frauen oder Männer? All dies und noch mehr spannende Infos rund um Zahnheilkunde in Europa lesen Sie in unserem neuen Beitrag.

Historie der Zahnmedizin – eine Heilkunde so alt wie die Menschheit

Eine spannende Frage: Seit wann gibt es eigentlich die Zahnmedizin? Die Antwort ist noch viel spannender: Zahnheilkunde wird praktiziert, seit es die Menschheit gibt. So wurden an einem 14.000 Jahre alten menschlichen Skelett aus Norditalien Spuren einer konservierenden Zahnbehandlung gefunden. Das Loch im Zahn wurde mit einer kleinen, spitzen Steinklinge bearbeitet. Auch bei bis zu 9.000 Jahre alten Funden in Pakistan zeigte sich, dass kariöse Zähne von einem zahnheilkundlichen Zeitgenossen präzise aufgebohrt worden waren. Das Verschließen von Hohlräumen als Technik der Zahnheilkunde ist an einem 6.500 Jahre alten, in Slowenien gefundenen Skelett nachgewiesen worden. Mit der aus Bienenwachs hergestellten Füllung wurde ein frakturierter Eckzahn wiederhergestellt.

Wann hat die Zahnmedizin Europa erreicht?

Die ersten Schritte in der Urgeschichte der Zahntechnik wird den Etruskern und Phöniziern zugeschrieben und sind auf etwa 500 Jahre vor Christus zu datieren. Mittels Übersetzungen gelangten die Erkenntnisse der Araber im Mittelalter in den abendländischen Raum, wo sie von Barbieren in die Tat umgesetzt wurden. Wie unangenehm eine solche Behandlung oft war, zeigen die Begleitnamen der Wanderheiler, die auch „Zahnbrecher“ und „Zahnreißer“ genannt wurden. Als Instrumente nutzten sie verschiedenste Geräte wie Zahnzangen, Überwürfe und Schlüssel. Über viele Jahrhunderte des Mittelalters und der Neuzeit hinweg blieb die Zahnheilkunde Domäne der Barbiere. Vielfach blieben die Wanderheiler hinter dem Wissensstand der bereits zur Verfügung stehenden schriftlichen Quellen aus der Feder gelehrter Autoren zurück. Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die modernen Berufsbilder des Zahnarztes und Zahntechnikers heraus.

Meilensteine der Zahnmedizin in Europa

1825 wurden in Preußen erstmals in einem deutschen Land die Anforderungen an den Beruf des Zahnarztes festgelegt – weitere deutsche Länder folgten dem Vorbild. Mit dem allgemeinen wissenschaftlichen Fortschritt wurden im 19. Jahrhundert die Grundlagen für die neuzeitliche Zahnmedizin gelegt. Wilhelm Conrad Röntgens Entdeckung der nach ihm benannten Röntgenstrahlen bedeuteten eine bahnbrechende Vereinfachung von Kieferuntersuchungen.

Auch die Zahntechnik entwickelte sich rasant ab dem 19. Jahrhundert. 1841 stellte der britische Zahnarzt John Tomes die ersten anatomisch geformten Extraktionszangen vor und stellte damit einen Meilenstein in der Entwicklung moderner Instrumente für die Zahnmedizin auf. 1871 wurde der Dentalbohrer erfunden, zunächst als Tretbohrmaschine, ab 1957 als Turbinenbohrer mit immerhin 300.000 bis 450.000 Umdrehungen pro Minute.

Ebenfalls seit Mitte des 19. Jahrhunderts wird die positive Wirkung von Fluorid zur Härtung des Zahnschmelzes eingesetzt. 1874 kamen die ersten Fluoridpastillen auf den Markt. 1907 füllte der Dresdner Apotheker Dr. phil. Ottomar Heinsius von Meyenburg erstmals Zahnpasta in Tuben ab und machte sie damit länger haltbar.

Und nun war die Behandlung unter sachgerechter Narkose möglich: Lachgas, Äther und Chloroform hielten im 19. Jahrhundert Einzug in die Zahnheilkunde und lösten damit wenig zuverlässige Methoden der Betäubung mit Pflanzenextrakten und Alkohol ab. Aufgrund unerwünschter und teils gesundheitsschädlicher Nebenwirkungen verschwanden Äther und Chloroform jedoch bald wieder aus den Praxen. Ab Anfang des 20. Jahrhunderts war erstmals eine örtliche Betäubung von Zahnschmerzen möglich. Der amerikanische Chirurg William Stewart Halsted hatte 1885 herausgefunden, wie sich mit einer injizierten Kokainlösung die gesamte Leitungsbahn sedieren lässt. Auch wenn Kokain wegen seiner suchtbildenden Eigenschaften und toxischen Nebenwirkungen heute nicht mehr in Arztpraxen verwendet wird, so ist doch die Leitungsanästhesie nach wie vor in vielen Fällen das Mittel der Wahl zur Vermeidung von Schmerzen.

Welche Behandlungen sind in Europa am häufigsten?

Prophylaktische Behandlungen sind von großer Bedeutung. Die Entfernung von Plaque und andere Bestandteile einer professionellen Zahnreinigung beugen vielerlei Problemen vor. Eine weitere sehr häufige Behandlung ist das Einbringen von Füllungen. Es folgen Wurzelbehandlungen, die Behandlung von Parodontitis und die Korrektur von Zahnfehlstellungen, beispielsweise mit einer Schiene oder Spange, sowie implantologische Behandlungen.

Wie häufig besuchen Patienten die Praxen?

Im Durchschnitt besucht ein Patient die Zahnarztpraxis zweimal im Jahr. Die Durchschnittszahl verbirgt allerdings, wie groß die Spannbreite ist. 30 Prozent gehen überhaupt nicht regelmäßig zum Zahnarzt. Etwa die Hälfte der Bevölkerung nimmt mindestens einmal jährlich eine Vorsorgebehandlung in Anspruch. Frauen nehmen die Vorsorgeangebote eher in Anspruch als männliche Patienten.

Erst in den nächsten Jahren wird sich zeigen, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie in längerer Sicht auf die Zahngesundheit haben wird. Soziale Isolation und Homeoffice führten erwiesenermaßen zu einem höheren Konsum an Alkohol, Zuckerhaltigem und Fertignahrung. Behandlungs- und Vorsorgetermine beim Zahnarzt wurden dagegen pandemiebedingt nicht im gewohnten Maße wahrgenommen.

Das beliebteste Instrument Europas

Und welche Instrumente werden am liebsten verwendet? Das kann man pauschal schlecht sagen. Grundsätzlich hängt die Wahl des eingesetzten Instrumentes von dem zu bearbeitenden Material ab, aber es gibt durchaus länderspezifische Unterschiede. Geht es jedoch um die Kronenstumpfpräparation ist in Europa das Diamantinstrument das Mittel der Wahl. Selbst hier sind die Geschmäcker verschieden. Der eine präferiert eher grobe, der andere eher feinere Instrumente. So erklärt sich auch die große Sortimentsbreite, die angeboten wird, um alle Geschmäcker zu treffen. Die Qualität spielt hier eine große Rolle. Wer mag es, bei der Behandlung zu spüren, dass ein Instrument keine gute Schleifleistung liefert, vielleicht sogar ausschlägt, zu einem unsauberen Kronenrand führt oder auch die Spannzange des Antriebs beschädigt. Das kostet Zeit, Geld und Nerven. Und am Ende zählt das Behandlungsergebnis. Der Patient soll mit seiner Restauration zufrieden sein und gerne wiederkommen.

Besondere Unterschiede zwischen den Ländern

Der digitale Gesundheitsberater Qunomedical hat in einer Studie die Zahngesundheit in 26 europäischen Ländern verglichen. Als Messfaktoren wurden unter anderem das Kariesrisiko bei 12-Jährigen, die Anzahl an Zahnärzten je 100.000 Einwohnern sowie der jährliche Zucker-, Alkohol- und Tabakkonsum herangezogen. In der Auswertung landet Italien auf Platz 1, Deutschland belegt den zweiten Rang. Die letzten Plätze belegen Lettland, die Slowakei und Kroatien. In Kroatien führt der immense Zuckerkonsum (44 kg pro Person und Jahr) dazu, dass 12-jährige Kinder bereits mit durchschnittlich 4,2 Zähnen in Kariesbehandlung sind.

Interessant im Vergleich verschiedener Länder ist überdies die große Spanne an Preisunterschiede bei zahnärztlichen Leistungen. Deutschland liegt hier im Mittelfeld – ist also anders als angenommen werden könnte kein Hochpreisland der zahnärztlichen Leistungserbringung. Bei den konservieren-chirurgischen Leistungen liegt Deutschland sogar deutlich unter den Werten der Niederlande oder von Dänemark. Im Bereich der Prothetik werden allerdings in Großbritannien und Ungarn deutlich geringere Kosten fällig.

Die in Deutschland vergleichsweise hohen Kosten für Implantatmedizin haben in den vergangenen Jahren zum so genannten Dental-Tourismus geführt: Zu verlockend ist das Angebot, sich das Gebiss in der Türkei, in Ungarn, Polen oder Asien für deutlich weniger Geld sanieren zu lassen. Da es keine aktuellen Studien zur Behandlungsqualität im Ausland gibt, ist es für den Laien allerdings schwierig, die Qualität solch preisgünstiger Angebote angemessen einzuschätzen.

Quellen

https://www.dents.de/newsartikel/meilensteine-der-zahnmedizin-und-zahntechnik/

https://www.quintessence-publishing.com/deu/de/news/zahnmedizin/interdisziplinaer/meilensteine-der-zahnmedizin-und-zahntechnik

https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Zahnmedizin

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/45360/30-Prozent-gehen-nicht-regelmaessig-zum-Zahnarzt

https://www.dzw.de/zahngesundheit-im-laendervergleich

https://www.zm-online.de/archiv/2015/06/titel/zahnaerztliche-leistungen-in-europa/

https://www.eckhauspraxis.de/de/aktuelles/allgemein/2020-01-20-wichtige-meilensteine-in-der-geschichte-der-zahnheilkunde-teil-2

https://www.quintessenz.de/downloads/Leseprobe_21720_Gross_Die-Geschichte-des-Zahnarztberufs-in-Deutschland.pdf

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